(Entwickelt zusammen mit Dr. Gotthart Pietsch, Fernuniversität Hagen)
Das hier zugrunde liegende Resilienzkonzept identifiziert 4 Basiskompetenzen, die für eine effektive Interaktion mit belastenden und sogar krisenhaften Situationen unerlässlich sind.
Die Resilienzforschung verdeutlicht jedoch, dass Resilienz vor allem durch ein flexibles Anpassungs- und Gestaltungsverhalten im Umgang mit belastenden Situationen gekennzeichnet ist, das sich stets auf eine effektive Interaktion mit der Umwelt ausrichtet. Insofern lassen sich resiliente Personen nicht von den äußeren Rahmenbedingungen fremdbestimmen, sondern wollen ihr Leben und ihre Umwelt aktiv gestalten. Vor diesem Hintergrund kann man 4 Basiskompetenzen der Resilienz identifizieren, die für eine effektive Interaktion mit belastenden bzw. krisengeprägten Situationen notwendig sind Bei den Basiskompetenzen handelt es sich um:
● Assertiveness und Syn-Egoismus,
● Achtsamkeit,
● Zielklarheit/Prozessoffenheit,
● Experiment und Reflexion.
Assertiveness/ Syn-Egoismus
Der Begriff Assertiveness stammt aus dem angloamerikanischen Sprachraum. Eine genaue deutschsprachige Übersetzung gibt es nicht. Am ehesten lässt sich Assertiveness mit dem Begriff der „Selbstpräsenz“ (engl. „resourceful presence“) übersetzen. Demnach bezeichnet Assertiveness die Fähigkeit einer Person, die eigenen Gedanken, Empfindungen, Emotionen bzw. Absichten in einer Interaktionssituation klar und bewusst ausdrücken zu können und zugleich einen durchsetzungswilligen, aber respektvollen Umgang mit anderen Personen zu wahren. Es handelt sich somit um einen Kommunikationsstil, der weder aggressiv-verletztend noch passiv-unterwürfig ist. Der Begriff der Assertiveness charakterisiert damit eine ressourcenvolle Selbstpräsenz in sozialen Interaktionssituationen und bezieht sich auf den (nach außen gerichteten) Weltbezug einer Person; sie äußert sich klar, durchsetzungsbereit und respektvoll.
Achtsamkeit
Die zweite Basiskompetenz der Resilienz stellt Achtsamkeit dar. Achtsamkeit verweist darauf, dass resiliente Personen über eine klare Selbstwahrnehmung – besonders auch im emotional-affektiven Bereich verfügen. Dies bedeutet, dass sie ihre emotionalen Prozesse und die damit verbundenen inneren Konflikte genau wahrnehmen und eine innere Balance herstellen können. Dabei ist Achtsamkeit eng verbunden mit Assertiveness, denn beispielsweise aggressiv-verletzendes Verhalten können nur solche Personen vermeiden, die dazu fähig sind, auch in belastenden Situationen eine innere emotionale Balance aufrecht zu erhalten und somit achtsam gegenüber den eigenen Gefühlen zu sein. Dabei ist das Training der Achtsamkeit keineswegs so schwierig und komplex, wie es vielleicht zunächst den Anschein hat. So lassen sich die vielfältigen, emotionalen Zustände auf vier menschliche Grundgefühle reduzieren: Vergnügen, Schmerz, Wut und Angst. Jene vier Grundemotionen bilden die Basis für alle weiteren situativen Gefühlszustände. Die Fokussierung des P4C-Trainings auf diese Grundemotionen erleichtert Achtsamkeit und die emotionale Selbstregulation erheblich.
Zielklarheit/Prozessoffenheit
Neben Assertivenes und Achtsamkeit ist die Fähigkeit zu Zielklarheit/Prozessoffenheit als wesentliches Element der Resilienz anzusehen. So erfüllt die Entwicklung von Zielen bei der Bewältigung von Krisen eine zentrale Funktion. Sobald die Krisensituation von dem/der Betroffenen akzeptiert und zumindest rudimentär in die Lebenssituation integriert wurde, entsteht das Bedürfnis nach einer Neuorientierung. Die mit der Neuorientierung verbundenen Veränderungs- und Entwicklungsprozesse vollziehen sich auf der Basis der eigenen Erwartungen an die Zukunft. Es ist also wichtig, die eigenen Wünsche, Absichten, Motive in einem Zielrahmen derart zu konkretisieren, dass die Umsetzung nicht zufällig, sondern relativ vorhersehbar und konsequent erfolgt. In konstruktivistischen Kommunikationsmodellen der Psychologie geht man davon aus, dass alles im Leben zweimal erschaffen wird: Das erste Mal im Kopf, das zweite Mal in der Realität (vgl. z. B. Watzlawick et al. 1991). Deshalb ist das Erreichen von Zielen stets nicht allein vom Zufall oder von äußeren Umständen abhängig, sondern vor allem geprägt von der Fähigkeit, Ideen, Erwartungen, Wünsche, Bedürfnisse und Veränderungen in die eigenen Wahrnehmungs- und Verhaltensprozesse zu integrieren. Das Entwickeln und Umsetzen von Zielen unter wechselnden dynamischen Bedingungen bildet eine äußerst kreative Aufgabe und erweist sich nicht zuletzt zur erfolgreichen Krisenbewältigung als unerlässlich. Der Hinweis, dass die Realisierung der Ziele sowohl mental als auch real entworfen wird, deutet an, dass Ziele nicht statisch zu verstehen sind, sondern immer wieder in der zirkulären Bewegung zwischen Wunsch und Wirklichkeit angepasst bzw. überprüft werden. Aus diesem Grund gelten für die Ziel- und Prozessteuerung immer zwei Redewendungen zugleich:„Wenn Du das Ziel nicht kennst, ist kein Weg der richtige,“ und „Der Weg ist das Ziel“.
Experiment und Reflexion
Experiment und Reflexion charakterisieren die vierte Basiskompetenz der Resilienz, die darauf gerichtet ist, das individuelle Wissen ständig zu aktualisieren und tragfähige Beziehungsnetze aufzubauen. Im Zuge einer resilienten Bewältigung von Krisensituationen erfolgen meist sehr grundlegende Wandelprozesse. Um in diesen Wandelprozessen Resilienz sowie die effektive Interaktion mit der Umwelt zu realisieren, muss das Wissen über die Umwelt und die Wirkungen eigener Verhaltensmuster laufend aktualisiert werden. Dabei sind resiliente Personen vor allem daran interessiert, die Funktionsfähigkeit ihres Verhaltens ständig zu überprüfen. Tatsächlich experimentieren sie regelmäßig, um zu erfahren, welche Effekte ein für sie neues Verhalten hervorruft. Dieses Experimentierverhalten erleichtert es, die Effektivität des Verhaltens in dynamischen Lebenssituationen zu sichern. Das P4C-Training nutzt vielfältige Methoden, um alltägliches Experimentierverhalten systematisch zu fördern (z. B. Methoden des Beobachtungslernens, Wahrnehmungstechniken). Gleichzeitig ist jedoch zu bedenken, dass wir fast laufend intuitiv experimentieren. Denken erfolgt oft nach dem Handeln. Um mehr über sich und die Umwelt zu erfahren, muss man deshalb nicht zuletzt im Nachhinein über das eigene Verhalten nachdenken und die Ergebnisse auswerten. Meist besteht erst im Nachhinein die Möglichkeit, aus dem intuitiv erfolgten Verhalten weiter gehende Schlüsse zu ziehen.