Der Rahmen für Sinn im Leben
Die Rahmenbedingungen für Sinn
Die Gewißheiten, die ein Mensch in Form von
Glaubenssätzen, Überzeugungen und Vorannahmen hervorbringt, bilden
eine wichtige Rahmenkategorie bei der Frage nach dem Sinn im Leben.
Gewißheiten sind Aussagen, die unterschiedliche Kategorien miteinander
verknüpfen und in einen bestimmten Zusammenhang stellen. Es konnten
unterschiedliche Verknüpfungsformen kausaler, temporaler, finaler,
konzessiver, konsekutiver und vergleichender Art unterschieden werden.
Die Verknüpfungsformen können unterschiedliche
Bewußtheitgrade haben. Gewißheiten mit hohem
Bewußtseinsgrad sind Überzeugungen, die einer Reflexion
zugänglich sind und deren Gültigkeit hinterfragt werden kann.
Daneben ließen sich Gewißheiten mit sehr niedrigem
Bewußtseinsgrad fest-stellen, die als Vorannahmen einer Situation,
einem Ereignis oder einer Thematik zugrunde liegen und ein hohes Maß an
Allgemeingültigkeit aufweisen. Sie werden häufig keiner kritischen
Reflexion unterworfen.
Je kategorischer eine Gewißheitsverknüpfung gilt, um so
stärker wird ihr subjektiv ein Wahrheitsgehalt beigemessen. Die Ursache
für den unterschiedlichen Verbindlichkeitsgrad von Gewißheiten
läßt sich erst über die Wertkriterien verdeutlichen, die im
Hintergrund von Gewißheiten stehen.
Obwohl Gewißheiten auf konkreten kontextspezifischen Lebenserfahrungen
beruhen, zeigen sie in ihrer sprachlichen Gestalt ein hohes Maß an
unspezifischen Formulierungsmustern. Überzeugungen erhalten ihre
Gültigkeit nicht über Erfahrungswerte - auch wenn sie den Ursprung
bilden - sondern ü-ber die Verknüpfungsmodalitäten der Zeit,
des Zusammenhangs oder der Ursächlichkeit. Deshalb gelten
Gewißheiten nicht nur unter einem situationsspezifischen Rahmen,
sondern erfahren eine hohe Generalisierbarkeit, was die zeitliche und
kontextabhängige Eingrenzung betrifft.
Die Komplexität der Verknüpfungskategorie verstärkte sich im
selben Maße, wie sich herauskristallisierte, daß nur selten
einzelne isolierte Gewißheiten bei Sinn eine Rolle spielen, sondern ein
ganzes System unterschiedlicher Überzeugungen, Vorannahmen und
Gewißheiten miteinander verbunden sind.
Bei der Systematisierung von sinnrelevanten, themenspezifischen, zeit- und
kontextabhängigen Fragestellungen kommt es hinsichtlich der
Gewißheiten auf drei Aspekte an: 1. die genaue Darstellung der
Gewißheiten und ihrer Verknüpfungsmodalitäten; 2. die
Unterscheidung systemisch aufeinander bezogene Gewißheiten 3. die
Spezifizierung von Gewißheiten, was ihre Gültigkeit hin-sichtlich
konkreter Bezüge und Erfahrungen betrifft.
Häufig werden Überzeugungen und Werte in einem Atemzug genannt. Die
Beratungsaufzeichnungen zeigten jedoch, daß Werte
nicht auf der gleichen Ebene wie die Gewißheiten stehen, sondern als
Erfüllungskriterien die Gültigkeit von Glaubenssätzen
herausfordern. Kontext- und zeitspezifische Ereignisse, die die Frage nach
dem Sinn im Leben aufwerfen werden von bestimmten Verknüpfungssequenzen
umrahmt, die ihrerseits ein oder mehrere spezifische Wertkriterien anstreben.
Die Realisierung gewißheitsabhängiger Werte bestätigen
ihrerseits die Gültigkeit der Glaubensgewißheiten. Ähnlich
wie die Überzeugungskategorie bilden die Wertkriterien eine
Rahmenstruktur bei Sinn im Leben.
Werte können sich in Übereinstimmung mit den Gewißheiten auf
alle sinnrelevanten Kategorien beziehen. Bereits die sprachliche Verwendung
von Begriffen wie »Selbstwert«, »Verhaltensnorm« oder
»Glaubenskriterium« deuten dies an.
Bei Sinn im Leben geht es also auch um Wertverwirklichung, aber eben nicht
allein. Wertbewußtes Handeln ist angewiesen auf kontextspezifische
Ereignisse, zeitabhängige Variablen und wird getragen von den
zugehörigen Vorannahmen und Überzeugungen. Umgekehrt kann Sinn im
Leben nicht ohne Wertkriterien gedacht werden. Sie gehören konstitutiv
als Rahmenbedingung zum Leben dazu und bewerten die entprechenden
Zuammenhänge.
Die Empfindungen bilden eine wichtige Kategorie, was die
Repräsentation von Sinn im Leben betrifft. Sie gehören zu der
Kernkategorie der Rahmensetzung, weil sie den „Ist-Zustand“ einer
spezifischen Situation als Gefühl rückmelden. Die Empfindungen
dienen als „emotive Gegenspieler“ der Kognitionen. Sie bilden ein
Feedbackinstrument für das menschliche Wahrnehmungssystem. Ein
Gefühl sagt etwas aus über die sinnesspezifische Lebenssituation.
Empfindungen können in zweierlei Hinsicht unterschieden werden:
Einerseits tauchen sie auf als kinästhetische Rückmeldungen, indem
sie ein Gespür für etwas ausprägen, das häufig auf
Gewißheitsstrukturen verweist, die als kognitive Konstruktion
vorliegen. Andererseits können sie als Emotionen auftreten, die eine
Bewertung der Gesamtsituation herausfordern: „Ich fühle mich gut -
oder schlecht“.
Unter der Fragestellung von Sinn im Leben können die Empfindungen
Rückmeldung geben über den Grad der Stimmigkeit oder Unstimmigkeit.
Dabei stehen sie in enger Verbindung zu den beiden anderen Rahmenkategorien
der Gewißheiten und Wertkriterien. Je nach Generalisierungsgrad der
Rahmenkategorien insgesamt können die Empfindungen sehr kontext- oder
zeitspezifisch auftreten oder in einem allgemeinen unspezifischen Gefühl
sich wi-derspiegeln. In jedem Fall wäre Sinn im Leben - unabhängig
ob in einer positiven oder negativen Gestalt - ohne ein entsprechendes
zugehöriges Gespür oder Gefühl nicht erlebbar. Empfindungen
bilden eine konstitutive Rahmenka-tegorie bei Sinn im Leben.
Die sinnesspezifische Repräsentation von
situationsbedingten Zuständen einer Person ist in den Klientendaten ein
häufig anzutreffendes Phänomen. Sie bildet in Ergänzung zu den
Empfindungen eine eigene Kategorie, die Rückmeldung geben über den
aktuellen Zustand von Sinn im Leben. Die Repräsentationsformen bilden
sich ab in Form von Metaphern oder Sinnbildern, die ihrerseits bestimmte
submodale Kodierungen der jeweiligen Sinne enthalten. In den Klientendaten
waren es ist erster Linie visuelle und kinästhetische
Repräsentationsformen. Es ließen sich auch akustische
Repräsentationen vermuten, sie spielten bei den hier vorgestellten
Klienten jedoch nicht die entscheidende Rolle. Um die Rolle auditiver
Repräsentationsformen überprüfen zu können,
müßten weitere Datenerhebungen durchgeführt werden, was im
Rahmen dieser Arbeit nicht mehr zu leisten war.
Die sinnesspezifischen Repräsentationen lassen sich anhand der
Klientendaten in zwei Aspekte unterteilen: Zum einen sind sie auf
inhaltlicher Ebene in der Lage, situationsspezifische Zusammenhänge in
bildlicher Form darzustellen. Die inneren Bilder oder Szenerien enthalten
Symbole, die auf bestimmte Weise miteinander verknüpft sind. In einigen
Fällen ließ sich zeigen, daß diese Verknüpfungen eine
Entsprechung zu der kontextspezifischen Realsituation der betreffenden Person
aufzeigen. Metaphern veranschaulichen auf sinnbildliche Weise den Kontext,
die zeitliche Dynamik und die entsprechenden Verknüpfungsformen sowie
Wechselwirkungen der einzelnen Aspekte.
Zum anderen werden die situations- und themenspezifischen Zustände
über Sinnesmodalitäten repräsentiert. Diese
Submodalitäten entsprechen Feinunterscheidungen der Sinne und stehen in
enger Verbindung zu der emotionalen Befindlichkeit einer Person.
In dem Zusammenspiel von sinnlicher Darstellung und Feinkodierung beheimaten
sinnesspezifische Repräsentationen das Gesamterleben einer Person
hinsichtlich einer kontext- und zeitspezifischen Situation. Zusammen mit den
Empfindungen geben sie Rückmeldungen an das Individuum und symbolisieren
die Rahmensetzung von Sinn im Leben.
.